Jäger als Trittbrettfahrer des Tierschutzes

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Jagd im Gatter und auf gezüchtetes Federvieh ist – bei aller Interpretationselastizität – weder nachhaltig noch waidgerecht.

Im Windschatten des Shitstorms, den Cecil, der Löwe, diesen Sommer ausgelöst hat, haben manche Medien zumindest für kurze Zeit auch die Zweckmäßigkeit der Trophäenjagd und die damit verbundene Kommerzialisierung von Wildtieren zur Sprache gebracht. Zweifellos: Was einen merkantilen Wert hat, das wollen wir nicht vernichten, sondern nutzen – und dafür auch produzieren. Wo immer möglich, wenn möglich in Massen. In Südafrika werden deshalb Löwen in Gattern gezüchtet wie Kaninchen und zum Abschuss verkauft. Das ist ein weit größeres Tier- und Artenschutzproblem als der Abschuss eines namentlich bekannten Löwen am Rand eines Nationalparks. Und wer nicht mutwillig unwissend bleiben will, weiß: Gatterjagd und der Abschuss ausschließlich dafür gezüchteter Tiere sind auch in Österreich gang und gäbe.

Seit Wochen informiert der Verein gegen Tierfabriken über Jagd in Gehegen und den Abschuss von in Volieren gezüchtetem, körper- und verhaltensverstümmeltem, kurz vor der Jagd freigelassenem Geflügel. Und er fordert, nein, nicht die Abschaffung der Jagd im Allgemeinen, sondern dieser Jagden im Speziellen. Etwas Besseres könnte der Jagd nicht passieren. Denn auch viele Jäger sähen diese Jagdformen gerne verboten, sind sie doch nichts als ein demonstratives Vernichten von Leben, um den eigenen Status zu erhöhen oder zu verfestigen. Jäger, die so jagen, können oder müssen es sich leisten, Wild zu erlegen, ohne es zu erjagen, weil sie den für das Aufspüren oder Abwarten nötigen Zeit-, Körper- und Sinnesaufwand nicht aufbringen können oder wollen.

Eilige Jäger

In Gefangenschaft vermehrt werden deshalb keineswegs nur Arten, die in freier Wildbahn selten sind – und die man, theoretisch, so vom Trophäenjagddruck entlasten könnte. Im Gegenteil: Die heimische Landwirtschaft stöhnt unter zunehmend vielen Wildschweinen. Genug Jagdwild für jedermann. Aber die Jagd in freier Wildbahn, ein nächtelanges, oftmals vergebliches Ansitzen auf diese intelligente Wildart, oft in beißender Kälte – das ist nichts für den eiligen Jäger mit wenig Sitzfleisch. Deshalb werden diese Tiere en masse gezüchtet, für den Mehrfachabschuss zur Schnelljagd im Jagdgatter.

Keine Nachhaltigkeit

Doch diese Wildtierfabriken fügen nicht nur Wildtieren unnötiges Leid zu, sondern schädigen auch die Jagd – nicht nur ihr Image, sondern ihre Grundfesten. Wildtiere gibt es nicht zum Nulltarif: Löwen sind eine Gefahr für Vieh und Mensch, Hirsch und Co eine für Wald und Feld. Wildtiere benötigen Rücksichtnahme der Nutzer ihres Lebensraums. Welcher Land- oder Forstwirt wird diese "Schädlinge" noch tolerieren, wer sich die Lebensraumerhaltung für freilebendes Wild noch antun, wenn es gezüchtetes auf Bestellung, im Sonderangebot, in größeren Mengen, ready-to-shoot, günstiger und schneller zu erjagen gibt? Nachhaltigkeit, ein Grundpfeiler der Jagd, fehlt hier gänzlich.

Spanien ist in dieser Entwicklung schon fortgeschritten. Dort lebt außerhalb der zahlreichen, rund 1.000 Hektar großen Gatter kein Rotwild mehr; in den herbizid- und pestizidreichen Agrarwüsten finden Rebhühner weder Nahrung noch Schutz – nur in Volieren der Massenzucht. Jede Jagd im Gatter, jede Jagd auf gezüchtetes Federvieh leistet dieser Entwicklung Vorschub.

Deshalb lehnt ein Gutteil der Jägerschaft diese Jagden ab. Deshalb gab es seitens einiger maßgeblicher Jäger bereits vor Jahren den Vorschlag, das hinter Zäunen für die Jagd gezüchtete Wild mit Ohrmarken zu kennzeichnen, bevor es in die Jagdgatter transportiert wird – das würde die Nachfrage verringern, denn "nicht einmal Italiener schießen auf Wildsauen mit Lauschermarken". Das darf bezweifelt werden. Aber dieser Vorschlag bleibt bei den maßgeblichen Behörden ohnehin ganz unten in der Schublade.

Kollektive Selbsttäuschung

Aber warum lässt man Gatterjäger ihre Jagdlustobjekte nicht gleich in den Zucht- oder Fleischgattern schießen? Wild, das zur Fleischgewinnung in Gehegen gezüchtet wird, darf dort erfreulicherweise mit Jagdschusswaffen erlegt werden: kein Fang, kein Transport, kein Schlachthof. Allerdings "nur vom Betreiber oder einer ständig von ihm beauftragten Person ... Die Überlassung von Abschüssen ist untersagt." Kein zahlender Jagdgast also. Schade.

So blieben den für die Jagd erwählten Tieren Narkose, Fang, Verladen, Transport in Jagdgatter und Jagdstress ebendort erspart – und dem Konsumenten mögliche Narkotikarückstände im Wildbret. Es genügt ja die Bleibelastung durch die Munition. (Ja, die haben wir noch. Denn Munitionshersteller müssen ihre bleihaltigen Lagerbestände absetzen, und gegen "klare Bedenken seitens der Wirtschaft" hatte die Bleifrei-Initiative des Umweltministeriums keine Chance.) Aber Abschuss im Fleischgatter? Das gilt als unwaidmännisches Abschießen. Für die hehre Jagd muss das Wild eine Chance haben zu entkommen – die hat es in einem Jagdgatter real auch nicht, aber dort kann man kollektiv dieser Selbsttäuschung erliegen.

Unter Jägern umstritten

Für viele (die Mehrheit?) der Jäger ist dieser plumpe Selbstbetrug und Betrug (für Jagdgäste sind Gatter nicht immer als solche erkennbar) keineswegs Jagd und zudem alles andere als waidgerecht – bei aller Interpretationselastizität. Seit Jahren sind diese Jagdformen ein Thema in Jagdfachzeitschriften, gibt es konstruktive Vorschläge, was geschehen sollte. Theoretisch. Allgemein. Umgesetzt wird nichts – oder das Gegenteil. Niemand insistiert auf Abschaffung dieser Unjagden. Nur wenige Jäger waren bereit, sich zu exponieren und in einem offenen Brief, der zumindest in einer der neun österreichischen Jagdfachzeitungen und von einem der Landesjagdverbände veröffentlicht wurde, ein Verbot auf gezüchtete Wild zu fordern.

Gut, Niederösterreich hat heuer per Jagdgesetznovelle zumindest die Errichtung neuer Gatter gestoppt. Allerdings nicht aufgrund jagdlicher, sondern steuergeldlicher Argumente. Denn gesellschaftlich hochrangige Jäger jagdlich oder moralisch zu kritisieren wäre Nestbeschmutzung. Zudem bläst man damit auch noch seinen Gegnern Wind in die Segel. Vegetariern und vielleicht sogar Abstinenzlern, Tierschützern! Die haben in der Jagd ja nichts zu melden, ist doch die Jagdausübung, also die Aneignung von Wildtieren, explizit vom Tierschutzgesetz ausgenommen. Das hat seinen guten Grund: Mit freilebenden Wildtieren kann man per definitionem nicht so kontrolliert verfahren wie mit Tieren, die man unter Kontrolle hat. Aber das für die Jagd gezüchtete Wild hat man während der Zucht ja bereits in seiner Macht, Volierengeflügel wortwörtlich in Händen, mindestens wenn man ihm den Schnabel kupiert. Dann entlässt man diese Zuchttiere kurzfristig und tut so, als wären sie freilebende Wildtiere.

Tierschutzfreie Bedingungen

Um Jagdlust zu befriedigen und eine Hetz zu haben, werden hier also nachträglich tierschutzfreie Bedingungen geschaffen. Das erinnert an den Fall des Pflegers Niels, der leidenschaftlich gerne Patienten reanimierte, weshalb er ihnen gezielt Herzrhythmusstörungen zufügte. Das gilt den meisten von uns als krank. Einem Lebewesen, Mensch oder Tier, absichtlich und gezielt Leid zufügen, um eine Leidenschaft auszuleben: Solch ein Verhalten widerspricht den ethischen Grundsätzen, auf die wir uns in unserer Gesellschaft geeinigt haben.

Da die Mehrheit der Jäger ihrer moralischen Anzeigepflicht nicht nachkommt und diese Unjagden schweigend duldet, müssen andere Gesellschaftsgruppen diese jagdlichen Missstände aufzeigen und beharrlich ihre Abschaffung fordern: Tierschützer, deren Einstellung allerdings grundsätzlich antijagdlich ist – weshalb diese Petition von kaum einem Jäger nicht unterstützt werden kann. Es ist paradox, doch wenn diese Jagdarten endlich verboten werden sollten, sind die größten Gewinner Jäger, jene Jäger nämlich, die Jagd auf freilebendes Wild nachhaltig ausüben, aus Freude an der Jagd, aber auch als moralisch und kulinarisch appetitliche Alternative zu Tierfabriken. Auch wenn man Trittbrettfahrer üblicherweise tunlichst zu verhindern trachtet: Es sei ihnen gegönnt.

Reizthema Gatterjagd: Auf der Homepage des Tiroler Jägerverbands wurde ein offener Brief der Autorin veröffentlicht, den unter anderen Wildbiologe Antal Festetics, Jäger und Grundeigentümer Karl von Liechtenstein, Ex-Schönbrunn-Direktor Helmut Pechlaner, die Tierschutzombudsleute Barbara Fiala-Köck (Steiermark), Alexander Geyrhofer (Salzburg) und Eva Persy (Wien), Tierfilmer Franz Hafner, Regisseur und Schauspieler Karl Markovics und Kabarettist Roland Düringer unterzeichnet haben.

Quelle: derStandard.at vom 24.09.2015| 12:19 | Karoline Schmidt

Karoline Schmidt, Dr. phil., freischaffende Wildbiologin, seit 1985 wildbiologische Forschungen im In- und Ausland, zahlreiche wissenschaftliche und populärwissenschaftliche Publikationen.

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Markus F.

Von: Markus F.

Am:

Um: 08:30

Vielen Dank für diesen guten Artikel, ich werde ihn als Argumentationshilfe sehr schätzen. Den Reiz der Gatterjagd konnte ich nie nachvollziehen.
Die Bleibelastung des Wildbrets ist doch sehr von der verwendeten bleihaltigen Munition, bzw. vom Kaliber abhängig. Für mich steht die Tötungswirkung immer noch über Bleifreiheit. Dies sollte man nicht zum Dogma erheben und schon gar nicht über ein Verbot durchsetzen.

Markus F.

Von: Markus F.

Am:

Um: 09:24

Vielen Dank für den lesenswerten Artikel! Mein einziger Kritikpunkt betrifft die Bleifreidogmatik. Noch kommen manche bleifreien Geschosse nicht an die Tötungswirkung der konventionellen bleihaltigen Geschosse heran. Es gibt natürlich Ausnahmen, aber zur Zeit geht für mich die Wirksamkeit über Bleifrei.

MfG
Markus F.