Der Ochs von Betlehem - von Eva Schreiber

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Ein Leserbrief von Eva Schreiber

Der Ochs von Bethlehem

Advent, Zeit der Stille, der Einkehr, Zeit der Vorfreude auf die Ankunft des Herrn und heutzutage wohl auch Zeit der Hast und der Erschöpfung. Vor allem gehören aber auch die Krippendarstellungen und Krippenspiele zum Advent.

Eine Weihnachtskrippe in schlichter Ausführung besteht zumeist aus Maria und Josef, dem Kind und Ochs und Esel. Es ist an der Zeit mich vorzustellen, gestatten sie ich bin der Ochse, ich bin derjenige über den unbestreitbar am wenigsten gesprochen oder gesungen wird. Die Evangelisten fanden mich und auch den Grauen sehr spät und auch nur am Rande einer Erwähnung wert, aber dazu später. Immerhin ist seitdem sehr viel Zeit vergangen, aber hätte sich für mich damit etwas geändert? Wurden über mich seither Geschichten geschrieben oder Lieder gesungen? Keineswegs, bestenfalls liest man die lapidare Feststellung, dass auch ein Ochse im Stall anwesend war.

Zugegeben, mein Äußeres gibt nicht viel her, ich bin relativ massig und das ohne nachhaltigem Nutzen wie zum Beispiel, um bei meiner Art zu bleiben, die Kuh, Stichwort Milch. Meinen Stallgenossen kann man wenigstens reiten, obwohl anzuzweifeln ist, dass Maria dies im hochschwangeren Zustand wirklich tat. Meine Kontakte mit weiblichen Artgenossen verliefen, aus offensichtlichen Gründen rein platonisch, daher blieben mir zu meinem Bedauern auch Vaterfreuden versagt. Immerhin aber schätzte man meine sprichwörtliche Kraft und nutzte diese auch ausgiebig. Ich beugte mich unters Joch ohne Murren. Doch genug des Selbstmitleids und hin zu einem der  berühmtesten Schauplätze der Geschichte, dem Stall von Bethlehem. Hinzuweisen wäre da auf die durchaus passable Raumtemperatur, die trotz kalter Winternacht etwas Geborgenheit vermittelte, welche die Gastfamilie im Stall hauptsächlich meiner üppigen Figur zu verdanken hatte, sonst wäre das Kindlein womöglich noch erfroren. Damit sollte eigentlich jedem der strittige Punkt klar sein wer zuerst da war, die Hirten, die Könige oder Ochs und Esel. Merkwürdigerweise sind sich da, grübelnd über die Schriften gebeugte Gelehrte, bis heute nicht ganz einig. Ich jedoch weiß es, ich war nicht nur vor allen andern wie Hirten und Weisen da, sondern wusste auch  sofort, dass dieses winzige, hilflose Menschlein in der Futterkrippe etwas ganz Besonderes ist.

Selbst, der meist störrisch auf seine Meinung beharrende Esel, der von den Menschen ungerechtfertigt nicht gerade mit Intelligenz assoziiert wird, war ausnahmsweise meiner Ansicht. Weil wir uns eben der Göttlichkeit des Kindes von Anbeginn so sicher waren, wurde später in diesen Umstand einiges  hineininterpretiert. So kommen wir nicht zuletzt dank dem Seher Jesaja, der da Jahrhunderte vorher folgendes weissagte und niederschrieb, doch noch in der Bibel vor. „Der Ochse kennt seinen Besitzer und der Esel die Krippe des Herrn aber Israel kennt mich nicht“.

Dies zu zitieren ist aber heutzutage  wegen der permanent eingeforderten political Correctness und dem allgemein angeratenen, äußerst sensiblen Umgang mit sämtlichen  Religionsgemeinschaften, nicht unbedingt opportun. Man muss jedoch dem alten Jesaja zugutehalten, dass er diese Entwicklung und das obwohl er Prophet war, wirklich nicht erahnen konnte. Viele sehen heute die Anwesenheit des langohrigen Grauen und meiner Wenigkeit an der Krippe als Synonym für den Alltag, Gott ist Mensch geworden und als Mensch in unseren ganz gewöhnlichen Alltag mit all seiner Mühsal und Entbehrung eingetreten.

Er wurde Mensch für die Menschheit aber er ist auch Gott für alle seine Geschöpfe, mich mit eingeschlossen. Darauf darf ich in aller Bescheidenheit schon stolz sein und so gesehen ist es gar nicht mehr so wichtig ob meine Rolle im Stall von Bethlehem genügend gewürdigt wird oder nicht. Aber es sollte doch einmal gesagt sein.

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